Die erste Arbeitswoche
Mittwoch, 8. Juni
Nach zwei eher organisatorischen Tagen stand heute der erste „richtige“, produktive Arbeitstag an – mit einem noch nicht ganz durchsichtigen Problem als Aufgabe.
Doch einen Schritt zurück … wieder viel zu motiviert wurde ich gegen 5 Uhr wach, da ich ja jetzt weiß, wie nervig die Rush Hour sein kann (und wer weiß schon, wo ich bis jetzt auf der Skala lag … ) drehte ich mich nicht noch einmal rum sondern hüpfte ganz geschwind aus dem Bett und ab unter die Dusche.
Den Weg zur Arbeit nutze ich geschickt aus und probierte die WhatsApp-Integration im Fahrzeug aus um als alte Reisefliege die neusten Infos loszuwerden – was in Deutschland wohl undenkbar wäre, ist hier direkt integriert – ich kann mit dem Fahrzeug Nachrichten lesen und sogar beantworten. Nur Sprachnachrichten funktionieren anscheinend eher weniger gut, wie ich hinterher feststellen muss …
Im Büro angekommen richte ich weiter den Arbeitsplatz ein, ihm fehlt zwar weiterhin Farbe, doch dafür amüsiere ich mich prächtig über den so passend platzierten Karton – Inspiration ist eben überall!

Mein Fokus war klar, ich wollte das aktuelle Problem, die aktuelle Aufgabe lösen, ganz durchsichtig war es zwar noch nicht, aber machbar. Ich habe mich die letzten Tage immer wieder vorbeugend damit beruhigt, dass ich nicht sofort jedes Problem lösen muss, das ist erstens unmöglich und zweitens erwartet das auch keiner. Aber, eine gestellte Aufgabe zu Beginn möchte ich natürlich auch direkt lösen und beweisen, was ich kann. So gesehen habe ich mir selbst wieder einmal Druck aufgebaut, der eigentlich nirgendwo existierte.
Stunde um Stunde vergeht, das Problem ist noch undurchsichtiger, es gibt noch mehr Fehlerursachen als ich dachte. Zum Mittag habe ich zwar viel ausgeschlossen, eine leise Spur, aber noch nichts konkretes.
Nach dem Mittagessen kommt Ed noch einmal auf mich zu, wir unterhalten uns, was ich bis jetzt so erlebt habe und wie ich es empfinde und er versichert mir noch einmal, dass ich immer und jeder Zeit anrufen kann und soll – und sei es zu fragen, wie ich am besten von A nach B komme. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es ihm wirklich am Herzen liegt, dass ich mich wohlfühle. Das tut sehr gut, zu wissen!
Bevor ich mich wieder auf mein Problem stürzen kann, kommt Joe zu mir. Er möchte mir unbedingt zeigen, wie ich mein Auto mit der FordPass App verbinde, damit ich es vom Smartphone aus Öffnen, Verriegeln und sogar Starten kann (er schwärmt mir vor, wie toll es ist, beim Losgehen aus dem Büro schon einmal die Klimaanlage bzw. im Winter die Heizung anschalten zu können). Beim Gedanken an die Klimaanlage fange ich innerlich direkt wieder an zu frieren … aber ein lustiges Spielzeug ist die App letztlich aber schon.
Zurück am Platz und schon ist sie da, die heiße Spur … das nebulöse Problem erscheint nicht mehr als Schreckensgespenst, sondern als greifbare Lösung. Doch – letztlich dauert es dann doch bis kurz vor vier, bis ich die Ursache gefunden habe. Was mir jetzt nur noch fehlt, ist die Lösung – da ist sie wieder, dieses angespannte Kribbeln, kurz vor dem befreienden Moment. Und da ist sie, gaaaanz pünktlich zum selbst gesetzten Feierabend. Ich hüpfe aufgeregt auf meinem Stuhl hin und her und balle meine Fäuste vor Freude zusammen.
Jetzt ist die Motivation in jeder Körperzelle angekommen – ich hab die Lösung kniffliger Probleme nicht in Deutschland gelassen, es klappt auch hier!
Voll mit positiver Energie und laut Musikhörend trete ich den Heimweg an.
Donnerstag, 9. Juni
Zum Frühstück gibt es heute nur eine Tasse Kaffee und eine Banane – denn heute gibt mir das Team ein Welcome Lunch aus. Der Tradition folgend bekommt jedes neue Teammitglied zum Einstand ein Mittagessen ausgegeben, als keine Willkommensfeier. In geselliger Runde bietet sich so wunderbar die Möglichkeit das gesamte Team kennenzulernen und gemeinsam über andere Teams und Abteilungen zu lästern.
Doch zunächst lässt mich das Erfolgserlebnis sowie und damit einhergehende Motivation vom Vormittag noch weitere Aufgaben bzw. Problem lösen, sodass ich für mich selbst gedanklich festhalte, läuft.
Die Lunch-Time beginnt hier ungewohnt früh und so machen wir uns gegen 11:30 Uhr zum Woodpile BBW Shack in Clawson auf. Da ein großer Teil des Teams von zu hause arbeitet und Ed vorher noch einen Termin hat, biete ich Manu an, dass diesmal ich fahre … so hab ich endlich die Gelegenheit all die unklaren Verkehrssituationen aufklären zu lassen.
Das Restaurant liegt in einer der vielen kleinen „Downtowns“, die sich rund um die Büros in der Umgebung angesiedelt haben. Sehr gepflegte Straßenzüge, die dem zur Lunchtime ausgehfreudigen US-Amerikaner eine unzählige Auswahl an verschiedensten Lokalitäten zur Auswahl lassen.
Das Woodpile selbst riecht man schon von weitem, ein süßlicher BBQ Duft liegt in der Luft.
Das Restaurant besteht aus dem BBQ-Grill, sowie einer überdachten und sehr gemütlich gestalteten Terrasse. Die Auswahl erstreckt sich über die Klassiker wie Pulled Pork und Rips bis hin zu Beilagen wie Süßkartoffelpüree. Das ganze selbstverständlich in den verschiedensten Kombinationen, wobei ich mich hierbei für eine Two Meat Combo (zur Verteidigung, ich habe ja auch nicht wirklich gefrühstückt) entscheide: Pulled Pork und Rips sowie Baked Beans und das schon erwähnte Süßkartoffelpüree – ein Träumchen!
Den ganzen Lunch über unterhalten wir uns äußerst angeregt und mir werden vermutlich die Evergreens der Stories näher gebracht, je länger wir sitzen umso durcheinander wird geredet und ich merke, wie anstrengend plötzlich das Zuhören wird.
Es mischen sich mehrere amerikanische Akzente, sowie die für mein Ohr viel leichter zu verstehenden Akzente aus Mexikanischen, Indischen und Chinesischen Hintergrund. Im ständigen Wechsel und mit einer Unmenge leckerem BBQ im Bauch muss ich mich schon kräftig anstrengen nicht den Faden zu verlieren.
Als eine intensive Diskussion über vergangene Projekt ausbricht verliere ich ihn letztlich, doch gedanklich bin ich dort eh schon abgedriftet. Ich erkenne einiges aus dem interkulturellen Training wieder.
Während in der deutschen Kultur ein neuer Mitarbeiter sich erstmal zum Einstand beweisen muss und für die bestehenden Kollegen etwas ausgibt, werden neue Mitarbeite in der US-Amerikanischen Kultur mit einem Vertrauensvorschuss belohnt und mit offenem Armen empfangen – der Welcome Lunch ist eben eine Art, dies zu tun – der neue Mitarbeiter soll sich wohlfühlen und sich empfangen und integriert fühlen.
Von meiner Seite aus, auf jeden Fall – appreciated!
Den restlichen Arbeitstag kämpfen eigentlich alle gegen das Bedürfnis eines Mittagschlafes an, sodass es erstaunlich ruhig ist im Büro, welches das Problem selbstverständlich nur noch mehr verschärft.
Mir bleibt am Abend nichts mehr anderes übrig, also sehr müde, aber überglücklich ins Bett zu fallen.
Freitag, 10. Juni
Wo auch immer die Zeit geblieben ist, es ist offenbar schon Freitag, die erste Woche auch damit schon fast rum. Mein Plan für diesen Tag: früh Feierabend machen und dann die örtlichen Möbelgeschäfte durchstreifen, einen Eindruck von amerikanischen Möbelgeschmack zu erhalten und hoffentlich von kurzen Lieferzeiten erfahren. Ach ja, schön wär’s …
Doch zunächst bereite ich mein erstes eigenes Sandwich für den Lunch zu, irgendwie muss ich ja die unzähligen Kalorien eines BBQ-Lunchs wieder ausgleichen. Also baue ich aus 4 „Brot“scheiben, Salat, Tomaten, Truthahnaufschnitt und BBQ-Soße sicherheitshalber gleich 2 Sandwiches zusammen, wer weiß denn schon, wie lange das vorhält.

Iin zweifacher Hinsicht lerne ich an diesem Arbeitstag die amerikanische Arbeitskultur näher kennen.
The customer is always right! Oder customer satisfaction – was im Privaten, als Kunde, sehr vorteilshaft sein kann, kann in der Arbeitswelt, als Zulieferer, zu teils skurrilen Aktionen führen.
An dem Morgen hat einer, der vor Ort ansässigen, OEMs ein Problem mit von uns am Vortag gelieferten Entwicklungsmustern. In äußerst fordernder und bestimmter Art bestellt dieser einen der Entwickler ein, um sich dem Problem noch vor dem Mittag anzunehmen. So macht sich umgehend ein Kollege auf, um die „Anfrage“ zu bearbeiten.
Wie er mir später ausführlich erklärt, hatte der OEM eine Änderung in der Vernetzung beauftragt, die genau dieses Entwicklungsmuster hervorgebracht hat. Leider hat der Kunde das bei sich intern nicht kommuniziert, sodass die aufgebauten Fahrzeugprototypen schlicht nicht mit unserem Muster funktionieren können. Anstatt nun den eigenen Fehler einzugestehen und sich für den entstandenen Aufwand zu entschuldigen, gab es noch Kritik dafür, dass diese Änderung nicht explizit noch einmal in Richtung OEM kommuniziert worden war.
Mit diesem Erlebnis geht es nahtlos in die Mittagspause, die damit beginnt das (mir zu dem Zeitpunkt noch unbekannte) Katie, eine der Projektmanagerinnen, ihre appreciation gegenüber dem Entwicklungsteam ausdrücken und sich für die geleistete Arbeit bedanken möchte. Meine Verwirrung verstehend, stellt sie mich mir vor und ich erhalte im gleichen Zuge eine Einführung in amerikanisches Sandwisches, denn heute wird bei Jersey Mike’s Subs bestellt.
Wie ich lerne sind Subs Sandwiches im Baguette, während Sandwiches aus klassischem Toastbrot sind. Der Name Subs leitet sich von submarine ab, da die länglichen Baguettes tatsächlich an kleine U-Boote erinnern. Der Namenskunde anschließend bekomme ich noch eine Schulung über die zur Verfügung stehenden Brotsorten, Belagsrichtungen sowie allgemeinen Geschmacksrichtungen.
Ich entscheide mich letztlich für ein kleines (ich habe ja immerhin noch meine eigenen Sandwiches) BLT (bacon, lettuce and tomato) Sub. Mahlzeit!
Kurz vor meinem anvisierten Feierabend schaffe ich es noch, ein weiteres schwieriges Problem zu lösen – auch wenn ich mir vorgenommen habe, ganz entspannt und ohne große Vorhaben zu starten, diese Woche war doch äußerst produktiv und ich bin mir sicher, einen sehr guten ersten Eindruck hinterlassen zu haben!
Die vom Team empfohlenen Möbelläden erweisen sich als sehr hilfreich, ich weiß jetzt definitiv, welche Möbel ich mir nicht zulegen werden! Zum Glück gibt es in der Nähe IKEA, sodass ich mir dessen Besuch für das kommende Wochenende vornehme.
Doch bevor der richtige Feierabend eingeleitet werden kann steht noch eine Herausforderung an, Wäsche waschen. Zwar kann im Laundry Room des Hotels kostenlos gewaschen werden – aber selbstverständlich sind die zur Verfügung stehenden Waschmaschinen US-Amerikanischer Bauart und sprechen weder 30°, 40° oder 60° noch Wolle oder Pflegeleicht. Es gibt die interessante Anteil in der Temperatur zwischen Hot/Cold, Warm/Warm, Warm/Cold, Cold/Cold. Ich mutmaße, dass es wohl zwei Waschphasen gibt, in denen es dann wohl unterschiedliche Temperaturen gibt. Doch … was sich hinter Cold, Warum und Hot versteckt steht hier leider nirgends. Um meine guten Hemden nicht zu zerstören entscheide ich mich sicherheitshalber für Cold/Cold.
In der Cycle Selection habe ich die Auswahl zwischen Off (wie das auch immer gehen soll), Spin Only, Rinse and Spin, Delicate, Permanent Press und Regular. Und wie üblich, wenn ich nicht weiß, was wohl das richtige ist, entscheide ich mich für Regular. Wie ich später unter Nachfragen herausbekommen habe, entspricht Delicate dem Pflegeleicht, weshalb ich das in Zukunft wohl standardmäßig nehmen werde bis ich genau rausgefunden habe, was genau denn so die anderen Programme mit der Wäsche veranstalten.
Erste Woche, done!